Wer ist FRAU BLUM?

Wer ist FRAU BLUM?

Neulich habe ich mich gefragt, wie das in Stuttgart so mit der Sinnlichkeit aussieht. Also mit der Sinnlichkeit, die etwas aufregender ist. Bei der man über den eigenen Schatten springt, mal was wagt, sich nicht so richtig getraut und es gleichzeitig unheimlich spannend findet. Ich meine Erotik mit Accessoires und so. Nun, es ist nicht unbedingt jedermanns Sache und der ein oder andere ist der Meinung, dass Sex ganz natürlich und liebevoll einfach so passieren sollte. Klar, ist ja logisch, jeder macht’s, wie er’s will. Aber einige wollen’s halt mal auf die andere Tour – und eben hier wird’s interessant.

Ich will’s auch mal auf die andere Tour. Vielleicht sollte ich mich zuerst vorzustellen: Ich bin Anfang 40, lebe in einer Patchworkfamilie, mit einem Mann, der eine Vergangenheit hat, Kindern verschiedener Eltern, und ich habe einen Job. Eigentlich ist das alles ganz egal, ich bin eine normale Frau, wie viele andere auch. Ich bin Frau Blum, einfach Frau Blum. Ich interessiere mich für Erotik schon seit Jahren. Aber früher habe ich sie nicht hinterfragt, sie war einfach da und ist einfach passiert. Heute denke ich über sie nach, finde sie spannend und habe viele Fragen.

Zum Beispiel Erotik mit Accessoires: In einem kleinen schäbigen Fenster, das offensichtlich zum Schaufenster irgend eines Schmuddelshops gehört, sehe ich eine Tafel, auf der geschrieben steht: „Specialoffer: Handcuffs Preis 2,55 €“. Ich muss eher an die Faschingsabteilung in einem Spielwarenladen denken: Handschellen für ziemlich kleine Polizisten und das macht diese unscheinbare Tafel schon fast wieder sympathisch. Ich beschließe rein zu gehen. Ein bisschen mulmig wird mir schon, ein Blick über die Schulter, weit und breit niemand den ich kenne – also los! Treppe runter, Sicherheitsschranke wie am Flughafen, abgeklebte Tür. Im Laden stehe ich einfach nur da. Aus dem schummrigen Licht tauchen vollgestopfte Regale auf, ein Tresen in der Mitte, hinter dem eine professionell desinteressiert blonde Frau sitz, die sich die Finger manikürt. Ich bin erleichtert, ihr ist es egal. „Ich schaue mich ein bisschen um“, sage ich zu ihr. Auch das ist ihr egal.

Der Laden ist groß und dunkel, also fange ich einfach von vorne an, irgendein Leitsystem wird es wohl geben. Gleich links von mir stehen Dildos und Vibratoren in allen Größen, Farben und Formen, ab 6,99 € zu haben. Wirklich beeindruckend sind die ganz naturgetreuen, fleischfarbenen, da bleibe ich ein bisschen hängen. Weiter geht’s über „Pflegeprodukte“ (eine wunderbares Wort, das aber nichts mit Givenchy oder Shiseido gemein hat), zu Höschen, Strümpfen und Strapsen, von allem viel, sehr viel. Ich hab’s kaum bemerkt und bin schon fast um den ganzen Tresen rum. Es war gar nicht so schlimm, stelle ich fest. Aber trotzdem bin ich etwas orientierungslos. Wahrscheinlich waren auch Sachen dabei, die mir gefallen könnten, wenn an die andere Tour denke. Aber ich kann’s beim besten Willen nicht unterscheiden. Woran erkenne ich, was unter oder über der Gürtellinie liegt? Alles in allem befindet sich das ganze Sortiment zwischen „unter“ und „über“ in einem riesigen, chaotischen Sammelsurium. Ich will’s niveauvoll, ich will schöne Materialien, ich will Design – hergottnochmal, ich will einfach eine richtig gute Vorauswahl!

Die Maniküre am Tresen ist noch lange nicht fertig. Wie auch, wenn ständig das Telefon bimmelt? Sie klemmt den Hörer zwischen Kopf und Schulter, feilt und gibt gleichzeitig Auskunft, fertigt einen Mann an der Kasse ab – und ist bei all dem professionell gelangweilt. Ich stelle fest, dass ich mit meinem Rundgang noch lange nicht durch bin. Was jetzt kommt ist definitiv UNTER der Gürtellinie, das kann sogar ich erkennen: die Kammer des Schreckens! In großen tiefgezogenen Plastikverpackungen hängt billigste Ware mit grauenvollen Inhalten an der Wand. Abgründe tun sich auf, von denen ich nichts wissen will. Und die Handschellen, die im Eingangsbereich beworben wurden, haben rein gar nichts mehr mit der Faschingsabteilung zu tun. Wenn es hier je einen Anflug von Erotik gegeben haben sollte, ist er hiermit im Keim erstickt. Ich schnappe nach Luft, überfliege auf dem Weg zum Ausgang die Pornohefte, armgroße Penisse, ein riesiges rosa Dingsbums (ist das etwa eine Muschie?!). Ab durch die Sicherheitsschranke, Treppe rauf, Tageslicht. Nein, das ist definitiv nicht mein Ding. Trotzdem bin ich gewissermaßen stolz auf mich. Zumindest weiß ich jetzt, was ich nicht will!

2 Kommentare

  • Hi “Frau Blum”,
    Darf ich, wie’s Usus ist, du sagen und trotzdem Frau Blum?
    Ich finde deine Idee und das Thema – ja, und auch das Pseudonym richtig gut! Kompliment, das wirst du ausbauen…!
    Ich bin zwar Profischreiber und werde hier sicher gerne mein Schärflein beitragen – als Mann, ist das okay?! Könnt vielleicht immer mal wieder hilfreich sein – zum Beispiel mit dem Hinweis, dass wir Kerle jenes begnadete Organ nicht mit “ie” schreiben: bitte künftig schlicht “Muschi”, okay?!
    Bin echt gespannt, wie’s anläuft und weitergeht, ich drücke dir alle Daumen, liebe Frau Blum!!
    Und wenn du mal Fragen hast oder einen Gast-Kommentar brauchst, nicht genieren, einfach klar ansagen!

    Ganz liebe Grüße
    Bernhard

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